Kinder machen Theater
Seit zehn Jahren leitet Erika Burzel das Kindertheater der Schule der Phantasie in Weimar.
Mit ihrem Beitrag über das Kindertheater möchte sie ihre Erfahrungen vermitteln und die fachliche Diskussion bereichern.
Kinder haben ein Recht auf ihre eigene Kultur. Sie wollen spielen, malen, bauen, Märchen und Geschichten hören oder erfinden. Sie wollen Forscher und Erfinder sein, anerkannt und geachtet werden. Am gesellschaftlichen Leben wollen sie Anteil haben und mitwirken. Kinderkultur muss deshalb im öffentlichen Leben eine Rolle spielen.
In Kindertagesstätten gehört Theaterspiel zum Alltag, wenn entsprechende Bedingungen geschaffen werden: Raum, Zeit und inhaltliche Anregungen.
Spielen Kinder selbst Theater, ist alles ursprünglich, spontan, unkompliziert. Kinder haben viele Einfälle, kombinieren scheinbar Unmögliches und spielen ohne den Ehrgeiz, perfekt zu sein. Sie phantasieren und improvisieren locker, und zu ihren Vorführungen passt der Begriff »Spiel« besser als zu den perfekt eingeübten Theaterstücken unter der Regie Erwachsener.
Damit Kinder zu jeder Zeit Theater spielen können, haben wir ein Theater als Ort der Kinder geschaffen.
Kindertheater – Schule der Phantasie
Unser Kindertheater ist ein offenes Theater. Angesiedelt ist es in einem Kellerraum des KindergARTen Waldstadt in Schöndorf, einem Stadtteil von Weimar. Zugänglich ist es jedermann. Verantwortlich für die Führung und Finanzierung des Theaters ist der Förderverein Schule der Phantasie e.V.
So sieht das Kindertheater aus:
• Die Bühne: Vorhang, Szene mit Bühnenbild.
• Der Zuschauerraum: Kissen, Stühle, Beleuchtung.
• Die Ausgestaltung: Puppen, Vorhänge, Instrumente, Klavier.
• Der Fundus: Hüte, Masken, Tücher, Kostüme.
• Die Garderobe: Spiegel, Schminktisch.
• Der Zugang zum Theater: Drache, Chronik, Puppen.
All das macht die Theateratmosphäre aus. Die Dinge, die Farben, die Vielfalt der Utensilien und ihre greifbare Nähe regen zum Schauen, Staunen, Berühren, Suchen und Entdecken an und beflügeln die Phantasie. Kinder und Erwachsene genießen das.
Ich beobachte immer wieder, wie Kinder mit Lust in unserem Fundus stöbern und – überrascht von ihren Funden – betrachten, probieren, Entdeckungen machen:
»Warte, ich muss noch gucken. Ich habe noch nicht alles gesehen«, »Hier will ich mitspielen«, »Was muss ich tun, damit ich in der Theatergruppe sein kann?«, »Auch wenn ich ein Schulkind bin, will ich hier herkommen«, »Ich spiele mit, bis ich 88 bin«, »Meine Freundin will ich auch mitbringen.«
Kinder fühlen sich durch eine anregende Atmosphäre angesprochen, entwickeln Motivationen, fangen Feuer. Sie wollen spielen.
Theater als Theater der Kinder
Wie funktioniert ein Kindertheater? Gibt nicht doch der Erwachsene den Ton an und bestimmt, was wann vor wem gespielt wird? Wird ohne pädagogische Führung nicht alles chaotisch?
Selbstverständlich geht es nicht ohne pädagogische Führung. Doch unser Theater war von Anfang an ein Ort der Kinder. Kinder gaben die Initialzündung. Sie halfen bei der Einrichtung, sind die Spieler, Stückeerfinder, Bühnenbildner, Kostümbildner und Techniker. Erwachsene begleiten und regen an.
Damit ein Vorspiel vor Zuschauern gelingen kann, sind einige grundsätzliche Dinge zu bewältigen:
• einen spielbaren Stoff finden,
• Rollen klären und besetzen,
• das Bühnenbild entwerfen,
• Kostüme herstellen,
• Musik und Beleuchtung auswählen,
• technische Probleme klären.
Zu diesen Komplexen gehören viele Einzelaufgaben. Über alles wird gemeinsam beraten. Jeder Vorschlag findet Beachtung und darf ausprobiert werden.
Spielstücke entwickeln, das heißt:
Geschichten finden
Theater ist Vorspiel vor einem Publikum. Selbst wenn Im-provisation geschätzt und gepflegt wird, muss das Thema des Spiels sorgfältig ausgewählt werden.
Zunächst geht es um den Inhalt. Die Frage »Was wollen wir spielen?« steht am Anfang.
Märchen zu spielen liegt nahe. Viele Märchen sind bekannt und beliebt bei Kindern. Doch meist sind sie lang, mehrsträngig und kompliziert. Die Abfolge der Dialoge muss stimmen, sonst protestiert das Publikum. Es ist aufwändiges Üben (Eintrimmen!) erforderlich, damit die Texte perfekt sitzen. Außerdem haben die Kinder haben beim Märchenspiel wenig Spielraum, Eigenes zu einzubringen. Wenn sie nur nachvollziehen müssen, bewegen sie sich in einem zu engen Rahmen. Phantasie und Kreativität kommen zu kurz.
Deswegen haben wir eine andere Strategie entwickelt:
• Wir spielen Alltagsszenen, die Kinder vorschlagen.
• Wir spielen selbst erfundene Geschichten der Kinder.
• Wir spielen Gedichte, Reime und kleine Märchen aus aller Welt.
Am Anfang steht die Beratung in der Gruppe. Wer hat eine Idee? Jeder hat Rederecht. Jeder hört jedem zu. Die Kinder folgen ihren spontanen Einfällen, oder sie äußern langersehnte Wünsche. Nachdenkzeit wird eingeräumt.
Manchmal findet die Gruppe schnell zu einem Entschluss. Manchmal wird lange debattiert. Am Ende der Beratung steht ein gemeinsamer Beschluss oder die Aufgabe: Sucht bis zum nächsten Treffen und bringt Vorschläge mit.
Nur ab und zu gebe ich einen Vorschlag in die Runde, zum Beispiel:
• den Anfang einer Geschichte (die Kinder nehmen den Faden auf und erfinden den Fortgang);
• ein unbekanntes Märchen aus einem anderen Land;
• ein Gedicht;
• ein Gegenstand, der Ausgangspunkt für eine Geschichte werden kann;
• eine Zeichnung der Kinder, die lebendig werden kann.
Erzählend, schildernd, beschreibend und spielend nähern wir uns dem Stoff. Beliebt ist das Spielen von Szenen. Jeder kann jede Rolle ein Mal übernehmen. Dialoge werden frei gestaltet.
Zu den Spielstücken, die unsere Theatergruppe entwickelte, gehören: »Auf der Suche nach dem verschollenen Schatz«, »Die mysteriöse Kiste«, »Cirkus Fantastico« und »Hexen hexen«.
Rollen selbst entwickeln
Wie funktioniert das?
Chris spielt drei Tanten. Andy spielt zwei Forscher. Andere Kinder spielen Fledermäuse und Löwenbabys. Peter spielt den uralten Weisen auf dem fernen Planet. Tim spielt einen Reporter und Lena einen Kameramann.
Die Annäherung erfolgt in mehreren Schritten:
• Die Kinder entscheiden sich selbst für eine Rolle.
• In der Gruppe handeln sie die Rollen aus.
• Sie bringen sprachlich und mimischgestisch zum Ausdruck, welche Eigenschaften die darzustellende Person hat und wie sie handelt.
• Sie beschreiben und erproben spielerisch Varianten.
Wichtig ist die Charakterisierung der Rolle durch die Kinder:
Der Eiskönig ist kalt und herrschsüchtig. Die Prinzessin ist neugierig. Der Großvater ist liebevoll und besorgt.
Im Dialog werden die Rollen ausdifferenziert. Die Kinder stellen ihre Vorstellungen den anderen im Spiel vor.
Kontakt
Förderverein
Schule der Phantasie
Erika Burzel
Windmühlenstraße 31 A
99425 Weimar
Telefon: 03643/51 50 16
www.weltkindertheaterfest.de
Das weltweit größte und einzigartige Theaterfest von Kindern für Kinder wird in Zusammenarbeit mit der International Amateur Theatre Association (IATA/AITA) in verschiedenen Städten der Welt durchgeführt. Es kehrt alle vier Jahre an seinen Geburtsort Lingen (Ems) in Deutschland zurück.
www.kindertheater-des-monats.de
Das Kindertheater des Monats ist ein landesweites Gemeinschaftsprojekt von 20 Veranstaltern in Trägerschaft der LAG Soziokultur e.V., Husum.
www.kindertheaterverlag.de
Der Verlag für Kindertheater hat neben Kindertheaterstücken zwei weitere Schwerpunkte: Dramatisierungen literarischer Vorlagen, unter denen bekannteste zeitgenössische Kinderbuchautoren wie Astrid Lindgren, Otfried Preußler, Erich Kästner, Paul Maar und Michael Ende zu finden sind. Dazu kommen Kinderstücke nach musikalischen Vorlagen, zum Beispiel Kinderversionen bekannter Opern. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Musicals für Kinder.
www.zzzebra.de
Auch das Webmagazin für Kinder hält viele Infos zum Thema »Theater« bereit. Einfach auf > Suchen klicken und »Theater« eingeben.
www.karneval-discount.de
Natürlich sind selbstgemachte Kostüme schöner, besser und individueller als gekaufte. Aber wenn es mal schnell gehen muss oder Anregungen gesucht werden: Hier finden Sie die üblichen Kostüme und Masken zu guten Preisen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/07 lesen.