Über gewaltfreie Kommunikation – Teil 2
Im Heft 6/09 stellte Barbara Leitner die Methode der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg als wirksames Kommunikationsmodell für den Alltag im Kindergarten vor und erläuterte das Herangehen, die Haltung sowie die grundlegenden Prämissen dieses Ansatzes.
In diesem Beitrag beschreibt die Autorin gewaltfreie Kommunikation als übergreifende Idee, die die Position der Erzieherinnen stärkt und hilft, Kinder besser wahrzunehmen.
Irritation in einer Kita. Seit Wochen erleben die Erzieherinnen am Vormittag das gleiche Spiel. Nach dem Begrüßungsritual und einer längeren Anwärmphase kommen zunächst zwei, dann weitere fünf- und sechsjährige Jungen auf sie zu und bitten um Papier. Sie wollen Flugzeuge basteln. So wie gestern, vorgestern und vorvorgestern…
Die Flugzeugbauer
Das Kitateam arbeitet mit den Bildungs- und Lerngeschichten als Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren und hat sich vorgenommen, die individuellen Bildungs- und Lernprozesse eines jeden Kindes zu entdecken und zu unterstützen. Statt ihnen wie früher von den Erwachsenen erdachte Angebote zu unterbreiten, beobachten sie nun die Kinder zunächst. Dadurch wollen sie das »Thema«, die besonderen Interessen des Kindes, ergründen und ihrer Erkenntnis, dass jedes Kind ein aktiver Lerner ist, im Alltag gerecht werden.
Die Erzieherin beobachtet, wie auch in anderen pädagogischen Ansätzen üblich ist, ohne zu werten. Sie bleibt bei dem, was sie sehen und hören kann, bei den Daten und Fakten. Dies ist auch in der gewaltfreien Kommunikation üblich.
Leo faltet zunächst drei Flugzeuge akkurat, mit scharfen Kanten, ohne neu anzusetzen und bringt Widerstände an den Tragflächen an. Paul und Justin sind noch etwas unbeholfen mit ihren kleinen Fingern. Bei ihnen liegt das Papier mit dicken Wülsten statt glatten Flächen übereinander. Sie fragen Leo und Erik, bekommen von ihnen Tipps zum Basteln und zum Werfen der Flugzeuge. Den Flug ihrer Modelle begleiten die Jungen mit Kommentaren. Sie vergleichen sie mit Düsenjets oder Segelflugzeugen und sprechen über die verschiedenen Flugeigenschaften.
Diese individuellen Beobachtungen werden mit Hilfe der Lerndispositionen analysiert. Die Erzieherinnen untersuchen, wie interessiert und engagiert die Kinder sind, ob sie sich ausdrücken, mitteilen, in einer Lerngemeinschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen. All das kann die Erzieherin in dieser Situation bejahen. Dennoch beunruhigt sie das Treiben der Jungen. Sie weiß nicht, was der nächste Schritt ist, erkennt das Thema der Kinder nicht und ist unsicher, wie sie sie weiter unterstützen kann.
Angeregt durch die Basteleien der Jungen, führten die Erzieherinnen mit den Kindern bereits ein mehrwöchiges Projekt über Fluggeräte, Raumfahrt und Weltall durch. Doch das Thema scheint längst noch nicht abgehakt zu sein. Geht es also wirklich um das Fliegen? Oder verbirgt sich dahinter etwas ganz Anderes?
Um dies herausfinden, begeben sich die Erzieherinnen immer wieder in den Dialog mit den Kindern. Sie bitten die Jungen, ihnen mehr über das Basteln und Fliegen zu erzählen, fragen sie offen und gezielt, was sie brauchen und wie sie es schaffen, sich für das Basteln zu motivieren und die anderen Kinder einzubeziehen. Aufmerksam hören sie sich die Antworten der Kinder an.
Doch all das führt sie nicht wirklich weiter. Es bleibt dabei, dass die Jungen immer neue Typen von Flugzeugen beschreiben und falten, dass sie einander in ihrem Tun animieren, Tag für Tag.
Den Erzieherinnen bleibt dieser Eifer der Jungen fremd, und je länger das Treiben währt, umso mehr fühlen sie sich vom Geschehen getrennt.
Gerade in solchen Situationen kann das Konzept der GFK weiterhelfen. Es ist ein Modell, um sich der Lebendigkeit des Moments und den Menschen zuzuwenden, sie bewusst zu machen und für die Prozessgestaltung zu nutzen.
www.gewaltfrei.de
Ein Portal zur gewaltfreien Kommunikation mit vielen Links zu Netzwerken im In- und Ausland sowie Literaturhinweisen und Hintergrundinformationen zum Ansatz.
www.gewaltfrei-d-a-ch.de
Der Verein deutsch sprechender Gruppen zur Verbreitung der Gewaltfreien Kommunikation e.V. wurde gegründet, um den Ansatz von Dr. Marshall Rosenberg im deutschsprachigen Raum zu verbreiten, Synergien unter den Mitgliedsgruppen zu ermöglichen und mit dem Center for Nonviolent Communication auf partnerschaftlicher Ebene zusammenzuarbeiten.
www.cnvc.org
Das Zentrum für Gewaltfreie Kommunikation (CNVC) ist eine globale Organisation mit der Vision von einer Welt, in der die Menschen ihre Konflikte friedlich lösen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11-12/09 lesen.