Digitale Medien und Teilhabe von Kindern inklusiv zusammendenken!
Dass Kinder bereits sehr früh Erfahrungen mit digitalen Medien machen, findet in partizipativen Konzeptionen oder der inklusiven Pädagogik kaum Berücksichtigung. Die Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin Hoa Mai Trần arbeitet seit Jahren zu inklusiver Pädagogik und digitalen Medien in der Kindheit. Sie zeigt, wie Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung© als inklusive Pädagogik mit digitalen Medien weitergedacht werden kann.
Junge Kinder = kleine »Smombies«?! In Fortbildungen mit pädagogischen Fachkräften vermittelt sich teilweise genau dieses Bild: Junge Kinder, scheinbar willenlos an digitalen Medien hängend, süchtig und mit verkümmerten Synapsen. Passive Wesen, die kaum mehr eigene Gedanken und Handlungen initiieren können und ganz und gar nicht mit dem klassischen Bild vom kompetenten Kind zusammenpassen. Dass Medienerfahrung die Lebenswelt von Kindern ko-konstituiert und dementsprechend Bildungsrelevanz hat, findet in der Praxis selten Berücksichtigung (Gabriel, Kromer 2019). Eine Ursache der Nicht-Thematisierung, der Abwehr und des Unverständnisses, wenn es um digitale Medien in der Kindheit geht, ist vermutlich unsere eigene Verunsicherung durch die scheinbare Flut von Informationen aus dem Internet und die ständigen, mit der Nutzung digitaler Medien einhergehenden technischen Herausforderungen.
Bildung statt Polarisation
Kinder brauchen pädagogische Begleitung beim Erlernen des Umgangs mit digitalen Medien. Sie sind keine »Digital Natives«, sondern eignen sich Medienkompetenz und diverse digitale Räume und Anwendungen wie jede andere Tätigkeit und Handlungsweise an. Um nicht in die Falle »gut« und »schlecht« zu tappen, hilft ein differenzierter Blick, der berücksichtigt, dass
• die digitale Welt nicht von der analogen zu trennen ist, da sie überhaupt erst aus der analogen Welt hervorgegangen ist, und
• das Nutzen einer App in ihrem Verwendungskontext, z.B. zur Navigation in der Stadt, zur Wettervorhersage oder zur Bestimmung einer Pflanze anders zu bewerten ist als eine Bestellung bei Amazon, ein Videotelefonat mit der Oma oder ein Onlinespiel.
Deshalb ist der Diskurs über Nutzungsdauer weniger zielführend, als der über das »Wie« der digitalen Mediennutzung – auch hinsichtlich des thematischen Zuschnitts durch die Förderung von Teilhabe, Identität und Zugehörigkeit mittels digital-medialisierter Erfahrungsräume. Anders als viele denken, ist der Zugang zum Internet faktisch nicht »für alle« gleich. Im Gegenteil: Soziale Ungleichheiten und ungleich verteilte Bildungschancen entlang von Milieu (formale Bildung, Einkommen) bilden sich auch in der digitalen Mediennutzung ab (vgl. DIVSI 2015).
Das »Wie« entscheidet
Die vier Ziele der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung© wurden von der Fachstelle Kinderwelten des Instituts für den Situationsansatz der Internationalen Akademie für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie seit den 2000er-Jahren beständig weiterentwickelt, um zu einer inklusiven und machtkritischen Pädagogik im Elementarbereich beizutragen (https://situationsansatz.de/themen/vier-ziele-vbue, 03.07.2021). Sie basieren auf kinder- und menschenrechtlichen Prinzipien und gelten für alle Fachkräfte, Familien und Kinder und knüpfen an deren Lebenswelten an. Die Ziele geben Orientierung und Unterstützung in der diskriminierungssensiblen und diversitätsbewussten Reflexion und praktische Anregungen im Umgang von Kindern mit digitalen Medien. Das Recht auf Bildung und der Schutz vor Diskriminierung macht vor digitalen Geräten nicht Halt.
Hoa Mai Trần ist Kindheitspädagogin, Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Kindheitsforschung, transformativ-kritische Pädagogik und Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung©. Sie forscht an der Universität Siegen, lehrt im Studiengang Kindheitspädagogik an der Hochschule Emden/Leer, arbeitet im Kompetenznetzwerk »Demokratiebildung im Kindesalter« und gibt Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte an der Fachstelle Kinderwelten (ISTA) und dem Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin Brandenburg (SFBB).
Kontakt
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2021 lesen.