Remida Deutschland – Einsichten und Aussichten
Im Jahr 2007 gründet die Sozialpädagogin Susanne Günsch Deutschlands erste Remida – das kreative Recycling Centro – und stellt für ein gutes Jahrzehnt nach dem Vorbild der Reggio-Pädagogik Materialien, die in Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe anfallen, für kreativ-künstlerisches Arbeiten zur Verfügung. Inzwischen will sie nicht mehr zwischen allen Stühlen sitzen und überlegt, Deutschland den Rücken zu kehren. Von Einsichten und Aussichten berichtet sie im Gespräch mit Jutta Gruber.
Sie gründeten nach dem Vorbild Reggio Emilias die erste Remida Deutschlands. Welcher Vision folgten Sie?
Der Impuls, eine Remida zu gründen, kam 2005. Eine Kollegin erzählte mir von der Remida in Reggio Emilia. Ich war sofort begeistert. Vielleicht, weil ich selbst in einem Handwerksbetrieb aufgewachsen bin. Da wurde nichts weggeschmissen. Mein Vater war Uhrmacher. Als Kind liebte ich es, neben ihm an der Werkbank zu sitzen, mit ihm über dies und das zu sprechen und all die Dinge in seiner Restekiste anzuschauen. Manchmal lagen komplette Uhrwerke darin, die ich auch auseinanderschrauben durfte. Ich erinnere mich an die kleinen Zahnräder und dass mir mal so eine Feder um die Ohren geflogen ist. Mein erster Gedanke war, dass eine Remida so etwas wie eine Restekiste in groß ist. Die Idee, Ressourcenbewusstsein mit Kreativität zu verknüpfen, traf mich ins Mark.
Die Einrichtungen in Reggio Emiiia erfahren laufende kommunale Unterstützung. In Deutschland ist das nicht der Fall. Welche Erfahrungen machten Sie?
In Reggio Emilia sind die Kitas sowie die Remida in Trägerschaft der Kommune und erfahren, wie Sie sagen, laufende Unterstützung, während gemeinnützige Projekte in Deutschland finanziell auf sich selbst gestellt sind. Man gründet, wie wir damals auch, einen Verein, konzipiert Projekte und beantragt Fördergelder, die man dann bekommt oder auch nicht. Weil ich wollte, dass alle von der Idee Remida wissen und uns nach Möglichkeit unterstützen, haben wir viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Insbesondere in unserem Bezirk, aber wir haben auch unseren damaligen Bürgermeister Olaf Scholz und alle Parteien angeschrieben. Die Idee fand man interessant. Mehr als Gespräche ergab sich jedoch nicht. Auch die Verleihung des Altonaer Nachhaltigkeitspreises 2010 änderte das nicht.
Wie erklären Sie sich das?
Ich vermute, das lag vor allem daran, dass sich die Remida aufgrund ihrer Komplexität keinem üblichen Förderbereich, wie Soziales, Wirtschaft, Bildung, Umwelt oder Kultur zuordnen lässt. Es gab auch glückliche Umstände. Ja – und zwar von Anfang an. 2007 auf der Altonale, einem jährlichen Kulturfestival. Wir hatten dort einen Infostand und präsentierten die Idee der Remida und was wir für die Gründung benötigen. Eine Frau kam zu uns an den Stand und sagte: »Sie brauchen eine Ladenfläche? Ich hab’ eine!« Dass das Ladenlokal in einer Nebenstraße ohne Laufkundschaft und neben einer unattraktiven Baustelle lag, störte uns kein bisschen. Sie vermietete uns die insgesamt 160 Quadratmeter zunächst nebenkostendeckend – ein wirtschaftliches Risiko, das wir leicht eingehen konnten – und erhöhte die Miete in kleinen Schritten erst ab dem zweiten Jahr. Glück hatten wir auch mit der Inneneinrichtung. Weil wir von Anfang an unserem Konzept der Nachhaltigkeit folgen wollten, kauften wir die selbstverständlich nicht im Baumarkt. Eine Plakataktion verschaffte uns innerhalb kurzer Zeit eine kreative Mischung an gebrauchten Tischen, Stühlen, Regalen und Aktenschränken.
Susanne Günsch ist Erzieherin, Diplom- Sozialpädagogin, Fundraiserin und Autorin. Sie gründete die Remida, das kreative Recycling Centro in Hamburg, und arbeitet als freiberufliche Fortbildnerin für Reggio-Pädagogik und offene Arbeit.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/2021 lesen.