Was Qualitätsentwicklung mit Begabungsförderung gemein hat
Christine Koop sieht mit dem Deutschen Kita-Preis und seinem Eintreten für Qualität in der frühen Bildung eine gute Chance für ein begabungsgerechteres Bildungssystem. Sie beantwortet Fragen des Zusammenhangs von Kita-Qualität und Begabtenförderung – Fragen, mit denen sich die Karg-Stiftung seit langem beschäftigt und die sich in der Kitaarbeit der Stiftung immer wieder stellen.
Am 2. Mai 2018 wurde der Deutsche Kita-Preis in Berlin zum ersten Mal verliehen. Neben der Siegerin sind gleich mehrere der nominierten und ausgezeichneten Kindertagesstätten in der Begabtenförderung aktiv. So ist die AWO-Kita »Hanna Lucas« aus Wedel Kompetenzzentrum für Begabungsförderung in Kita und Grundschule des Landes Schleswig-Holstein. Die »Kita des Jahres«, das Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße aus Maintal, sowie die nominierte Hans-Georg Karg Kindertagesstätte aus Nürnberg sind langjährige Konsultationskindertagesstätten der Karg-Stiftung und letztere auch des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP).
Warum engagiert sich die Karg-Stiftung als Partnerin des Deutschen Kita-Preises?
Die Karg-Stiftung befasst sich seit vielen Jahren mit der Frage, wie Kitas dazu beitragen können, dass alle Kinder, auch hochbegabte, ihre Begabungen entwickeln und ihre besonderen Talente entfalten können. Als Partnerin des Deutschen Kita-Preises möchte die Karg-Stiftung das hinter dem Preis stehende Anliegen sichtbar unterstützen: Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung ist ein Prozess, in den kontinuierlich und mit Blick auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes investiert werden muss. Und Qualitätsentwicklung und Begabtenförderung sind zwei Seiten einer Medaille. Hier wie dort stehen das Kind und seine Potenziale im Mittelpunkt.
Was hat das mit einem gerechteren Bildungssystem oder wie die Karg-Stiftung es nennt, Begabungsgerechtigkeit zu tun? Was genau ist denn ungerecht?
Die Wahrnehmung kindlicher Begabungen ist sowohl auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte als auch der Eltern stark von sozioökonomischen und kulturellen Variablen, ja sogar vom Geschlecht des Kindes beeinflusst. So wird bei Jungen bei gleichen Fähigkeiten häufiger eine besondere Begabung vermutet als bei Mädchen. Und die soziale wie kulturelle Herkunft wiederum hat großen Einfluss darauf, welche zukünftige Fähigkeitsentwicklung einem Kind zugetraut wird. Es ist wichtig, schon in den Kitas für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren und darauf zu reagieren, damit Kinder eine Chance bekommen, ihre Stärken und Potenziale zu entdecken und zu entfalten.
Wie wird frühe Bildung gerechter?
Die frühe Bildung ist weniger selektiv und an Leistungsnormen orientiert als das Schulsystem. Darin liegt eine große Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit. In Kitas kann der Fokus stärker auf das Anregen, das Ermöglichen, das Identifizieren und die Entwicklung von individuellen Begabungen in ganz unterschiedlichen Fähigkeitsbereichen gerichtet werden. Die Etikettierung von Kindern als begabt oder nicht begabt, besonders leistungsfähig oder leistungsbeeinträchtigt kann in den Hintergrund rücken. Ein kind- und ressourcenorientierter Blick ermöglicht den Fachkräften, für jedes Kind individuell Stärken und Potenziale zu identifizieren und ihre pädagogischen Interventionen darauf auszurichten. Auf diese Weise können Herkunftseffekte abgeschwächt und fehlende Vorerfahrungen kompensiert werden. Es werden Lernerfahrungen ermöglicht, die wichtige Weichen für die weitere Bildungsbiografie stellen.
Was hat sie an der »Kita des Jahres«, dem Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße, besonders beeindruckt?
Die Konsequenz, mit der sich das Familienzentrum genau diesen Fragen stellt: die Fachkräfte arbeiten täglich daran herauszufinden, welche Begabungen in »ihren« Kindern stecken und was sie ihnen zu deren Entfaltung anbieten können. Die Erzieherinnen und Erzieher sind hier in stetem Dialog mit den Kindern und ihren Familien über deren individuelle Bedürfnisse und Potenziale und machen diese zum Ausgangs- und Mittelpunkt ihrer Arbeit. Sie reflektieren permanent, wie sie den Kindern weitest mögliche Selbstbestimmung in ihren Lernprozessen ermöglichen können und sind bereit, von und mit den Kindern sowie deren Eltern zu lernen. Im Ergebnis können sich die Kinder mit ihren Interessen und Talenten ausprobieren und Vertrauen in sich und ihre Stärken entwickeln.
Christine Koop ist Ressortleiterin Frühe Förderung und Beratung bei der Karg-Stiftung.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05-06/18 lesen.