Wie sich Digitalisierung auf die neuronalen Strukturen von Kindern und Jugendlichen auswirkt
Die häufige Verwendung digitaler Geräte verändert unsere Hirnfunktionen. David Bueno i Torrens, Neuropädagoge aus Katalonien, ordnet diese Veränderungen ein und fragt: Welche Auswirkungen haben sie auf das Leben und Lernen von Kindern und Jugendlichen? Welcher Umgang mit der digitalen Welt bietet sich aus neurowissenschaftlicher Perspektive an?
Die Digitalisierung in den Schulen ist unaufhaltsam, genauso wie in anderen Bereichen der Gesellschaft. Es ist heute fast unmöglich, bestimmte Dinge ohne die Hilfe eines Handys oder eines anderen digitalen Geräts zu erledigen. Ob in der öffentlichen Verwaltung oder in der Privatwirtschaft, z.B. bei Dienstleistern oder Banken: Die Bürger:innen werden dazu angehalten, so viele alltägliche Vorgänge wie möglich zu digitalisieren. In Geschäften wird zunehmend mit Karte gezahlt, Straßenbahntickets werden online gekauft. Im Licht dieser gesellschaftlichen Entwicklung wäre es anachronistisch und sogar unverantwortlich, Kindern und Jugendlichen eine ausreichende digitale Bildung zu verweigern. Aber wann und wie sollten sie in den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien eingeführt werden? Sollten sie bis zu einem bestimmten Alter strikt verboten sein?
Ein äußerst plastisches und formbares Organ
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns ansehen, welche Auswirkungen die Nutzung und auch der Missbrauch dieser Technologien auf das Gehirn junger Menschen haben – und damit auf ihr geistiges und soziales Leben. Ich beginne mit einigen Forschungsergebnissen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Studien, die es uns ermöglichen, die Auswirkungen einer übermäßigen Nutzung digitaler Technologien in der Kindheit zu erkennen. Wohlgemerkt, ich sage »übermäßig«! Es gibt keine Daten, die darauf hinweisen, dass eine angemessene, zeitlich begrenzte Nutzung für einen klaren Zweck und mit Begleitung durch Eltern und Erzieher:innen schädlich ist.
Eine der umfassendsten wissenschaftlichen Arbeiten wurde 2023 in der Zeitschrift »Early Education and Development« veröffentlicht. Die Autor:innen weisen nach, dass die Nutzung digitaler Technologien in der Kindheit die neuronalen Verknüpfungen in verschiedenen Gehirnbereiche verändert. Die Tatsache, dass es Veränderungen gibt, sagt jedoch noch nichts über deren Schaden oder Nutzen aus. Das Gehirn ist ein plastisches und formbares Organ, das seine neuronalen Verbindungen, die Synapsen, aufgrund genetischer Programme herstellt und umgestaltet. Die Synapsen verändern sich aber auch in Interaktion mit der Außenwelt: aufgrund der Lebenserfahrungen, die ein Mensch macht, und aufgrund seines individuellen Lernens. Die Synapsen speichern die emotionalen Zustände, die diese Erfahrungen oder das Lernen begleiten. Umgekehrt tragen sie ihrerseits dazu bei, das Verhalten des Menschen zu regulieren, d.h. wie er sich selbst wahrnimmt, wie er die Umwelt wahrnimmt und wie er sich zu ihr verhält. Auf diese Weise passen wir uns durch Lernen und Erfahrungen an die Umwelt an, in der wir leben – auch an unsere soziale Umwelt.
Das Gehirn ist ein fantastisches System, das es uns ermöglicht, uns durch Lernprozesse an fast jede Situation anzupassen. Folglich ist die Tatsache, dass die Nutzung digitaler Technologie in der Kindheit und Jugend die neuronalen Verbindungen verändert, zunächst eine gute Nachricht. Das Gehirn passt sich an die digitale Umgebung an, die es vorfindet, und lernt, mit ihr umzugehen.
David Bueno i Torrens ist promovierter Biologe und Gründer des Lehrstuhls für Neuropädagogik an der Universität Barcelona. Er forscht zu entwicklungsgenetischen und neurowissenschaftlichen Fragestellungen und ihrem Zusammenhang mit Lernprozessen bei Kindern und Jugendlichenund ist Autor vieler wissenschaftlicher Artikel und Bücher sowie UNESCO-Berater für Neuropädagogik.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 06/24 lesen.